Ausführliche Hinweise und Erläuterungen zu den Warnungen
Zur Einleitung möchten wir ein paar Vorbemerkungen zur Entstehung der Warnungen und Vorhersagen bei den Polarlichtbeobachtern in Deutschland geben.

Die ausführliche Beschreibung der Warnkriterien folgen weiter unten im Text.

Als diese ganze Polarlichtjagd im April 2000 anfing wussten wir quasi nichts oder nur sehr wenig über Geomagnetismus, Sonnenaktivität und die Zusammenhänge die zum Polarlicht führen. Dies hat sich bis jetzt zumindest etwas geändert, aber so richtig in die Geheimnisse sind wir auch noch nicht eingedrungen.

Zum Beispiel gibt es schwache Ereignisse oder "Null-Ereignisse" bei sehr guten Sonnenwindwerten. Andererseits gibt es aber auch visuell sichtbare Ereignisse bei eher durchschnittlichen Sonnenwindwerten.
Diese "Extremfälle" können wir mit einem auf halbwegs klar definierten Regeln aufgebauten Warnsystem nicht abdecken, aber zumindest einen Hinweis auf die Sichtungsmöglichkeit auch bei solchen Ereignissen muss möglich sein.

Daher können wir uns bei den Warnungen einfach nicht auf eine extrem konservative Strategie berufen, die ausschließlich dann aktiv würde, wenn ein gut sichtbares Polarlicht in Deutschland mit großer Sicherheit auftreten wird.

Hinweise auf mögliche Polarlichtereignisse sollen auch gegeben werden, selbst wenn die Chancen nur moderat sind.

Hierzu ein Beispiel für moderate Chancen:
Einen solchen Fall hatten wir am 17.09.2003. (Starke geomagnetische Aktivität, ausgelöst durch den Materiestrom eines "coronal hole")
Bei dem Ereignis mussten wir feststellen, dass das Zeitfenster, in welchem wir in Deutschland eine Sichtungsmöglichkeit gehabt hätten, sich vielleicht auf 4 bis 6 Stunden erstreckte. Leider war die Hauptaktivität aber um die Mittagszeit.

Nehmen wir einfach mal einen viertel Tag als Zeitspanne für die Möglichkeit durch die Effekte eines coronalen Lochs ein Polarlicht zu sehen, so müssen wir aber auch noch etwa 30% "Überraschungsmoment" als Erweiterung dieser Zeitspanne mit reinnehmen. Und wenn wir auf die 6 Stunden nochmals 2 Stunden aufaddieren und dann das aktuellen Ereignis ansehen, so kommen wir schon in die hiesigen Abendstunden, die jetzt langsam dunkel genug sind um Polarlicht (visuell, digital oder analog) detektieren zu können.

Generell noch mal der Hinweis, dass die Warnungen und Hinweise auf mögliche Polarlichter sich nicht nur auf helles, visuell sichtbares Polarlicht beschränken, sondern dass auch bei Chancen auf rein fotografische Detektion des Polarlichts eine Warnung erfolgen wird. Im Idealfall wird die Warnung aber einen subjektiven Hinweis enthalten, mit welcher Stärke (visuell/fotografisch) das Ereignis erwartet werden kann.

Auch stellen wir damit nicht den Anspruch, die "PL-Gurus" zu sein. Viele die sich etwas mit der Materie auskennen möchten wir auch aufrufen, diese Kriteritien auch für eigene Warnungen zu benutzen und mit uns gemeinsam diese zu verfeinern oder zu vebessern.

Nun zum Grundgerüst der Regeln, an denen sich eigentlich jeder leicht orientieren kann, um Chancen auf Polarlichter abschätzen zu können, wenn er einen Hinweis (Watch) oder eine Warnung hier im Forum oder über die SMS Liste erhält.

Es wird sich bestimmt hier und da im Laufe der Zeit noch einiges "Zurechtschleifen" oder Grenzen bzw. Definitionen noch mehr Feinschliff erhalten. Dies auch immer durch Erfahrungen mit diesen Kriterien in der "Praxis".

Aufteilen muss man diese Liste nach den zwei möglichen Auslösern für die erhöhte geomagnetische Aktivität, die coronalen Massenauswürfe (CME) und die coronalen Löcher (CH, bzw. CS für coronalen Strom).

1. Polarlicht-Chancen durch coronale Massenauswürfe
(CME, coronal mass ejection)
1.1 früher Hinweis - early Watch
Ein early Watch kann bei einem schwachen haloförmigen Massenauswurf schon direkt nach der Detektion durch SOHO und einem Hinweis auf die mögliche Stärke des resultierenen Ereignisses durch SEC oder STD, gegeben werden. Dieser Watch wird aber sehr selten sein.
1.2 frühe Warnung - early Warning
Eine early Warning wird bei einem starken Ereignis (major flare + CME) in der Mitte der Sonnenscheibe gegeben nachdem SOHO einen starken haloförmigen CME zeigt. Ein Beispielereignis wäre das Bastille-Event.
1.3 normaler Watch
Ein normaler Watch wird ausgegeben, wenn ein CME die Erde erreicht hat und die Werte für Bt bei >10nT und die der Geschwindigkeit bei >500km/s liegen. In einem solchen Fall kann es durch längerfristig südliches Bz (<-8 bis -10nT) in Deutschland durchaus zu sichtbaren Polarlichtern kommen.
1.4 vorsichtiger Watch
Er wird gegeben, wenn über viele Stunden das interplanetare Magnetfeld südlich ausgerichtet ist (Bz negativ) und die geomagnetische Grundaktivität sehr hoch ist (mehrere Kp-Werte von 5 oder höher). Solche Ereignisse sind sehr selten und hängen auch meist mit "verschleierten" CME's zusammen, die man entweder in LASCO verpasst hat oder die sehr lange unterwegs waren, so dass sie zu keiner eindeutigen Signatur im Sonnenwind geführt haben.
1.5 normale Warnung
Diese Warnung wird gegeben, wenn ein CME mit deutlichem Schock im Sonnenwind die Erde trifft. Sollte der Impakt morgens oder gegen Mittag erfolgen, wird die Ausgabe der Warnung bis in den späten Nachmittag verzögert, da sich die Sonnenwindwerte noch ändern können. Stattdessen wird dann erst ein normaler Watch (siehe 1.3) ausgegeben. Sollten die Werte aber dauerhaft gut sein, erfolgt die Heraufstufung zur Warnung.
1.6 akute Warnung - Schockfront-Warnung
Diese wird sofort nach Ankunft einer starken Schockfront ausgegeben auch wenn es in Deutschland hell ist. Als starke Schockfront gilt alles mit Bt>20nT und Geschwindigkeit >600km/s. Findet so ein Impakt bei Dunkelheit statt, kann man meist das direkte Auftreffen der Schockfront auf die Erde visuell verfolgen.
1.7 Sichtungsmeldung
Das ist eigentlich keine Warnung mehr, aber sie zeigt nach erfolgter Warnung an, dass es wirklich ernst ist


2. Polarlicht-Chancen durch Effekte von coronalen Löchern
(coronal hole effect)
Den Sonnenwind, der aus Regionen mit offenen Magnetfeldlinien (coronales Loch, coronal hole, CH) ausgesand wird, kann man aufgrund seiner Natur am Einfachsten als "coronalen Strom, coronal stream, CS" bezeichnen. Dies ist zwar keine offizielle Bezeichnung, jedoch ist der Mechanismus so recht gut zu erfassen.

Das CH selbst ist dabei nur die Quelle, die eigentlichen Auswirkungen verursacht letztlich nur der Strom. Von der Natur her ist der coronal hole effect ein "Hochgeschwindigkeits-Sonnenwind". Er äußert sich durch einen normalerweise recht gleichmäßigen Anstieg der Sonnenwind-Geschwindigkeit auf Werte von 700 - 1000 km/s.

Schon vor diesem Geschwindigkeitsanstieg ist zunächst ein Ansteigen der Sonnenwind-Flussdichte auf Werte von 10-20 Teilchen/ccm*s zu beobachten. Kurz nach dem Einsetzen des eigentlichen Geschwindigkeitsansteigs nimmt die Teilchen-(Fluss)-dichte langsam wieder ab, um sich dann bei maximalem Speed auf Werte um oder unter 1 Part./ccm*s einzupendeln.
Die Stärke (Bt) des interplanetaren Magnetfeldes (IMF) nimmt dabei ebenfalls nur in der Phase des Dichte-Anstiegs zu und erreicht parallel zur max. Density ihr Maximum. Da die wichtigste IMF Komponente Bz nie stärker sein kann, als das Gesamtfeld, ist folglich auch nur in den Anfangsphasen des coronal Streams mit deutlich südlichem Bz (Werte bis oder unter -10 nT) zu rechnen.
2.1 Watch
Da coronale Löcher nur bei idealem zeitlichem Eintreffen des schnellen Sonnenwindes (CS) in Deutschland zu Polarlichtern führen, ist fast alles was auf Polarlichtchancen durch coronale Löcher hinweisen soll nur ein Watch.

Der Watch wird ausgegeben, wenn der für den CS typische Dichteanstieg beobachtet wird und gleichzeitig das IMF überwiegend südlich ausgerichtet ist.
Er wird auch ausgegeben, wenn die Dichte schon wieder gefallen ist und der Geschwindigkeitsanstieg erfolgt.

Er wird weiterhin ausgegeben, wenn das coronale Loch seinen Höhepunkt schon erreicht hat (Geschwindigkeit maximal, Dichte ungefähr 1, Bz negativ) und der Kp-Wert mehrfach bei 5 oder höher war.
Letzteres Szenario entspricht dem Beispiel vom 17.09.2003.
2.2 Warnung
Eine Warnung im Zusammenhang mit einem coronalen Loch wird ausgegeben, wenn nachmittags der Dichteanstieg im Vorfeld des CS beobachtet wird und wenn Bt und Bz auseinanderdriften.

Als Warnschwelle gilt, dass die Dichte >10p/cm^3, Bt >15nT und Bz ungefähr -8 bis -10nT haben. Diese Warnung wird auch nur selten erfolgen, da das Timing hier wirklich stimmen muss.


Zusätzlich zu unseren "internen" Hinweisen gibt es natürlich jedesmal noch den entsprechenden Hinweis des STD, der sich dann hoffentlich mit den Einschätzungen der "Forecaster" hier decken wird.